Verkehrsrecht Unfall zwischen Linksabbieger und Überholendem - wer haftet?
Wer links abbiegen möchte hat erhöhte Sorgfaltspflichten zu beachten. Unter anderem muss er seiner Pflicht zur doppelten Rückschau nachkommen. Wer überholen möchte, hat ebenfalls erhöhte Sorgfaltspflichten zu beachten. Unter anderem ist ein Überholen nur zulässig, wenn keine unklare Verkehrslage vorliegt.
Wenn es zwischen einem Linkabbieger und einem in dem Moment Überholendem zu einem Verkehrsunfall kommt, gibt es häufig Streit bezüglich der Haftungsquote. Nicht selten entscheiden die Gerichte, dass dem Linksabbieger ein höheres Verschulden trifft, so dass er und seine Kraftfahrthaftpflichtversicherung zum überwiegenden Teil für den Schaden des Überholenden haften.
Im Urteil des OLG München vom 06.10.2021, AZ. 10 U 1012/19 nahm das Gericht sogar an, dass kein Verschulden des Überholenden vorlag.
Wieso?
In dem Fall wurde der Überholende vom Linksabbiegevorgang des vor ihm befindlichen Traktor überrascht, wich aus und fuhr bei seinem Ausweichmanöver gegen einen Baum. Er forderte im Prozess vollen Schadenersatz vom Linksabbieger und dessen Versicherung.
Der vom Gericht bestellte Sachverständige kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass wenn der Linksabbieger seiner Rückschaupflicht nachgekommen wäre, er den Überholenden hätte sehen können und müssen. Er hätte sodann von seinem Abbiegevorgang Abstand nehmen müssen. Das Unfallgeschehen hätte so vermieden werden können. Das Gericht kam zu der Rechtsauffassung, dass der Verkehrsverstoß des Linksabbiegers so schwer wiege, dass selbst eine Betriebsgefahr des überholenden Fahrzeugs zurücktrete. Es stand zur Überzeugung des Gerichts fest, dass ein Linksabbiegen für den Überholenden zuvor nicht erkennbar gewesen sei.
Fazit:
Gerade bei einem solchen Unfallgeschehen kommt es auf die Details des Einzelfalles an. Die Haftungsquote ist in jedem einzelnen Falle gesondert zu prüfen sein. Im oben geschilderten Fall lag die Haftungsquote bei 100 % zu Gunsten des Überholenden. Die Regel ist dies nicht.