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Arbeitsrecht Die Tücken der betrieblichen Übung

Worin sich Arbeitsvertrag und betriebliche Übung unterscheiden

Ein Arbeitsvertrag kommt zustande, wenn die beteiligten Parteien eine inhaltlich übereinstimmende Willenserklärung abgeben. Die zuvor verhandelten Inhalte werden mit einem einfachen „ja“ auf beiden Seiten akzeptiert. Dies kann durch eine unterschriebene Vertragsurkunde oder mündlich erfolgen. Wer jetzt glaubt, das sei es gewesen, verkennt die Eigendynamik, die ein Arbeitsverhältnis in der Praxis haben kann. An dieser Stelle kommt die so genannte betriebliche Übung zum Tragen.

Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden (Bundesarbeitsgericht, 27. Februar 2019 – 5 AZR 354/18). Deshalb sollten Arbeitgeber aufpassen. Es ist nämlich unerheblich, ob der Arbeitgeber mit Verpflichtungswillen gehandelt hat oder nicht. Entscheidend ist allein, ob der Arbeitnehmer aufgrund der Einzelfallumstände auf einen (möglicherweise gar nicht vorhandenen) Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durfte. Auf das Fehlen einer übereinstimmenden Willenserklärung kann der Arbeitgeber sich nicht berufen. Sein Verhalten wird als Vertragsangebot gewertet, das vom Arbeitnehmer in der Regel wortlos angenommen wird. Daraus sind vertragliche Ansprüche entstanden, die man ohne das Einverständnis des Arbeitnehmers nicht mehr ändern kann.

Der klassische Fall ist die stillschweigende Zahlung von Weihnachtsgeld. Doch aufgepasst: Hierbei ist unerheblich, ob der betroffene Arbeitnehmer bisher in die Übung einbezogen wurde. Da sich das Verhalten des Arbeitgebers an alle Beschäftigte richtet, sind auch alle Beschäftigten berechtigt. Möchte der Arbeitgeber das verhindern, muss er im Zusammenhang mit der Gewährung einer Vergünstigung deutlich machen, dass es sich dabei um einen Einzelfall handelt.

Vorsicht: Es gibt keine negative betriebliche Übung. Was einmal vertraglicher Anspruch geworden ist, bleibt dies auch dann, wenn der Arbeitgeber in ein, zwei oder drei darauffolgenden Jahren die Vergünstigung nicht gewährt. Das wird häufig falsch gesehen! Wenn der Arbeitnehmer beispielsweise Weihnachtsgeld im Rahmen der betrieblichen Übung beanspruchen kann, unterliegt dieser Anspruch allein der Verjährung. Wenn im November 2019 das Weihnachtsgeld nicht gezahlt wurde, verjährt dieser Anspruch mit Ablauf des Jahres 2022. Bis dahin mag dreimal nicht gezahlt worden sein, der Anspruch aus 2019 kann am 31. Dezember 2022 noch verjährungsunterbrechend geltend gemacht werden.

Was gilt im umgekehrten Fall? Der Arbeitgeber unternimmt siebzehn Jahre lang nichts (Bundesarbeitsgericht, 30. November 2016 – 10 AZR 11/16). Dann versetzt er seinen Arbeitnehmer von Hamburg nach Frankfurt. Arbeitsvertraglich war geregelt, dass der Einsatzort Hamburg ist, aber jeder andere Einsatzort bestimmt werden kann. Kann sich der Arbeitnehmer hier auf eine betriebliche Übung berufen und in Hamburg bleiben?

Nein, sagt das Bundesarbeitsgericht. Die Nichtausübung des Direktionsrechts hat keinen Erklärungswert. Es gibt also kein Verhalten des Arbeitgebers, aus dem der Arbeitnehmer auf einen Bindungswillen schließen durfte, dass ausschließlich Hamburg als Einsatzort angedacht sei.

Praxistipp: Sorgen Sie dafür, dass in Ihrem Betrieb keine Gebräuche entstehen. Dies betrifft nicht nur die Zahlung von Weihnachtsgeld. Es können durchaus auch andere Verhaltensweisen, sei es im Zusammenhang mit der Gewährung von Urlaub, der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Gehaltserhöhungen zu einer betrieblichen Übung führen.

Beitrag veröffentlicht am
9. Dezember 2019

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